Was ich nicht erschaffen kann vermag ich nicht zu verstehen
Mit einer Menge Geld hat man plötzlich Probleme, die man vorher nie hatte. Das vor­dring­lichste (neben falschen Freunden, der bösen Kapitalertragssteuer und der Entscheidung, ob es heute nun der Porsche oder der Jaguar…) davon ist die Frage, wie ich all meine Reich­tümer unterbringen soll.

Das bare Hartgeld ist es, das meinen Unmut erweckt: seit ich vor Jahren die große, haupt­sächlich dicke Brieftasche zum Teufel jagte ist sein Platz in der fifth pocket, jener Tasche in der rechten Hosentasche, in die ursprünglich wohl eine Uhr gehörte. Meine tickt am Hand­gelenk, also ist dieser Platz für Euro- und Centstücke frei.

Diese allzusimple Lösung hat nur einen Gegner. Es ist ein namenloser Werbefachmann, der vor langer Zeit auf den Gedanken kam, Dinge dürften nicht eine Mark – nein, sie müßten neunundneunzig Pfennige kosten. Möglicherweise gibt es diesen Fachmann (oder diese Fach­frau) schon nicht mehr. Uns – und speziell mir – hat er (oder sie) jedoch ein gar fürchter­liches Erbe hinterlassen: bei jeder finanziellen Interaktion mit der Umwelt, sei es der Monats­einkauf oder nur ein Häppchen für zwischendurch, gibt man eine große und erhält viele kleine Münzen.

Die Folgen sind fatal: binnen weniger Stunden bis Tage schwillt die harte Bargeldmenge in der Minitasche dergestalt an, daß man kaum noch hineingreifen kann. Zuhause wird die gan­ze Bescherung dann herausgekramt und begutachtet: Zwei- und Fünfcentstücke, ab und an blitzt ein gelber Zehner dazwischen. Sollten die strategischen Kupferreserven knapp wer­den weil die Chilenos den Hahn zudrehen: ich kann helfen. Ansonsten ist der Alltagswert jener Münzen aber doch eher… gering.

An zentralem Ort gesammelt warten daher massige Mengen minderwerter Münzen darauf, in einem Jutesack zur Bank getragen zu werden und virtualisiert auf dem Konto zu landen. Wenn da nicht… der bei scheinbar allen Banken neu gefundene Servicebegriff wäre, der sich un­ge­fähr so äußert: statt die vielen Zentner Münzen einfach in den Schlund eines Zähl­auto­maten zu kippen mußdarf der Kunde selbst sortieren. Spätestens, wenn das zweite Zählbrett gefüllt ist, wird vehement auf die Möglichkeit, Rollen von Münzen nach Farben sortiert ab­zugeben, hingewiesen. Diese Papiere sind übrigens keineswegs so stabil wie sie aussehen und wenn sie reißen… dann immer in der Rolle mit den meisten enthaltenen Münzen. Alternativ denen, die am besten unter das Inventar der Bank rollen.

Wie man es also wendet: die Situation ist unbefriedigend. Die Rettung aus der Not erfolgt durch die Deutsche Post.

Grenzenloser Reichtum

Nun erwartet man ja von ehemaligen Staatsunternehmen nicht allzuviel. Wenn einmal eine Entschuldigung für den vorangegangenen Zugausfall erfolgt, hat man schon einen der bes­seren Tage erwischt. Der Postdienstleistungsautomat MWD 3 des bayerischen Herstellers Sie­laff wartet jedoch nicht nur vor meiner Haustür auf mich; pro Briefmarke („Automaten-Post­wertzeichen, APWz“) darf ich ihm 15, bei gutem Wetter auch mal 20 Einzelmünzen in den Rachen schmeißen.

Mithin ist dieser Automat vor meiner Tür also das perfekte Beispiel, wie Technik unser Leben lebenswerter machen kann: befreit von der drückenden Last der gesammelten Kupfer­mün­zen kann ich vergnügter existieren; an jeder Kasse strahle ich die Kassiererin an, wenn diese be­ginnt, Wechselgeld zusammenzusuchen – weiß ich doch, daß nun bald wieder eine Karte oder ein Brief fällig wird, den ich jemandem schreiben kann.

Sicher, wenn man das nicht weiß, mag diese meine Begeisterung ob des lästigen Kleingelds unverständlich sein. Ob ich es morgen früh der Dame an der Kasse sagen soll? „Diese Freude, mei­ne Liebe, dieses Lächeln“, werde ich ihr sagen, „das verdanken Sie ganz alleine dem Post­dienstleistungsautomat MWD 3.“




Ich sehe schon, Sie halten nichts davon lästiges Kleingeld bei Obdachlosen loszuwerden. Verstehe ich. Und Briefmarken sind sowieso viel nützlicher.

Eine sehr theoretische Frage – meine alltäglichen Wege führen mich nirgendwo vorbei, wo ich Kleingeld an wartende Obdachlose abgeben könnte. Die sitzen hier nämlich nur in der Innenstadt.

(Dennoch würde mich jetzt interessieren, ob dieser Ihr erster Satz einen Unterton haben sollte. In der Schriftsprache kommt das leider nicht immer so rüber.)

Nein, ich hatte beim Schreiben keinerlei Unterton im Ohr. Ich selbst gebe kein Geld an Obdachlose und wollte deswegen nicht zynisch oder herausfordernd klingen.

Mir hat dieses Ausräumen der Taschen zur Vermeidung von Löchern in Hosen zu DeMark-Zeiten Urlaube finanziert, später hat es dann immerhin noch für jährliche einige tausende Kilometer nach und durch Frankreich gereicht; und mein Auto der Neunziger hatte einen großen Tank. Doch auch heute, der ich kaum mehr im PKW unterwegs bin, leere ich noch einmal im Jahr der Bank den Inhalt eines stabilen Drei-Liter-Glases auf den Tresen, da ich die Angewohnheit habe, nahezu ausnahmslos mit Papiergeld zu zahlen. Allerdings liefert diese Energie nicht nur Kupfer, sondern weiteres, wenn auch nur virtuell höherwertiges Metall.